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„Als ehemaliger Stipendiat möchte ich etwas zurückgeben“

Interview mit Prof. Dr. Jochen Gönsch, Vertrauensdozent bei der Stiftung der deutschen Wirtschaft

 

Wie würden Sie Ihre Aufgaben als Vertrauensdozent beschreiben?

Als Vertrauensdozent bin ich vor allen Dingen Ansprechpartner für die Stipendiat*innengruppe unserer Regionalgruppe. Es gibt insgesamt 50 bis 60 Regionalgruppen in Deutschland. Jede dieser Regionalgruppen hat vier Vertrauenspersonen, die für die jeweilige Gruppe zuständig sind. Zu den vier Vertrauenspersonen gehören der/die Vertrauensmanager*in – eine Person aus der freien Wirtschaft –, der/die Vertrauensschulleiter*in, der/die Vertrauensalumnus/a – ehemalige*r Stipendiat*in der Stiftung der deutschen Wirtschaft  – und ein*e Vertrauensdozent*in.

Wie unterscheiden sich die Aufgaben dieser Vertrauenspersonen?

Zwischen den vier Vertrauenspersonen gibt es formal keine Unterschiede. Ihre Aufgabe ist es, die Regionalgruppen in der Planung und Organisation von Aktivitäten zu unterstützen und zu betreuen. 
Einmal im Jahr setzt sich unsere Regionalgruppe mit ihren Vertrauenspersonen zusammen und erstellt gemeinsam einen Jahresplan für ihre Aktivitäten. Bei diesen Treffen bringen die Stipendiat*innen ihre Ideen für Freizeitaktivitäten, Projekte, Diskussionsrunden oder andere größere Veranstaltungen ein, über die innerhalb der Gruppe entschieden wird.

Wie sieht Ihre Tätigkeit als Vertrauensdozent innerhalb dieser Gruppe aus?

Als Vertrauensdozent unterstütze ich die Regionalgruppe in ihrer Planung, gebe Anregungen für die Programmgestaltung einer Aktivität und/oder stelle Kontakte her, die gegebenenfalls für eine geplante Aktivität notwendig sind. 
Neben der Betreuung der Regionalgruppen beteilige ich mich auch an der Vorauswahl der Stiftung, die einmal im Jahr stattfindet. Innerhalb der Universität mache ich meine Studierenden sehr gerne auf die Veranstaltungen und Workshops zum Thema Stipendium aufmerksam und ermutige sie, diese Veranstaltungen wahrzunehmen. Mir geht es dabei vor allen Dingen darum, Studierende auf Stipendien aufmerksam zu machen und zu einer Bewerbung zu ermutigen – egal wo.

Wie erleben Sie den Mehrwert dieser Tätigkeit? 

Das Wichtigste ist, dass Sie viel Spaß daran haben, mit engagierten jungen Leuten zu arbeiten, die viele Ideen haben. Neben dem Spaß an diesem Ehrenamt ist für mich als ehemaliger Stipendiat ein ebenso wichtiger Grund, den jungen Studierenden etwas zurückzugeben. Ein Engagement in einem Begabtenförderungswerk erweitert aber auch das persönliche Netzwerk zu anderen Vertrauensdozent*innen, zu Firmen und anderen Organisationen. Daher investiere ich sehr gerne einen Tag im Monat für das Ehrenamt, da die Arbeit mit Stipendiat*innen Früchte trägt. Studierenden werden Wege aufgezeigt, die sie möglicherweise ohne das Stipendium nicht gegangen wären. 

Wie wird man Vertrauensdozent*in? 

Um Vertrauensdozent*in zu werden, müssen Sie hauptberuflich als Professor*in an einer Hochschule arbeiten. Bei den meisten Stiftungen, wie beispielsweise bei der Stiftung der deutschen Wirtschaft, ist es darüber hinaus nicht notwendig, dass Sie ehemalige*r Stipendiat*in sind, um als Vertrauensdozent*in für die Stiftung zur Verfügung zu stehen. 
Ihr Interesse an einem Ehrenamt können Sie dem Förderungswerk jederzeit per E-Mail oder telefonisch mitteilen. Falls der Bedarf seitens der Stiftung abgedeckt ist, werden Sie zunächst in einen Kontaktpool aufgenommen. Sobald die Stiftung erneut Unterstützung sucht, werden Sie vom Förderungswerk kontaktiert. 
Manchmal können Lehrende, die an diesem Ehrenamt interessiert sind, von Stipendiat*innen vorgeschlagen werden.  

Wie kann ich zur Stipendienkultur an meiner Hochschule beitragen, ohne Vertrauensdozent*in zu sein? 

Machen Sie Studierende auf das Thema Stipendium aufmerksam. Sprechen Sie ihnen Mut zu und motivieren Sie die jungen Menschen, sich zu bewerben. Informieren Sie über die Beratungsmöglichkeiten und Veranstaltungen zum Thema Stipendium an Ihrer Hochschule und kommunizieren Sie in Ihren Vorlesungen und Seminaren regelmäßig Termine und Fristen. 
Erklären Sie die Unterschiede zwischen den Stiftungen und verweisen Sie für detaillierte Informationen auf die Vertrauensdozent*innen.
Für die Stipendiat*innengruppe Ihrer Hochschule können Sie sich engagieren, indem Sie sich beispielsweise als Referent*in für Treffen der Regionalgruppe zur Verfügung stellen. Für die Stipendiat*innen ist es ein Mehrwert, da sie aus unterschiedlichen Fachbereichen kommen und so die Möglichkeit haben, sich über fachfremde Themen innerhalb der Hochschule auszutauschen. Dabei können Sie eventuell potenzielle Doktorand*innen kennenlernen. Sprechen Sie dazu einfach Vertrauensdozent*innen an.

Prof. Dr. Jochen Gönsch

„Die ehrenamtliche Tätigkeit ist eine Bereicherung“

Interview mit Prof. Dr. Florian Schacht, Vertrauensdozent der Friedrich-Ebert-Stiftung

Was sind Ihre Aufgaben als Vertrauensdozent der Friedrich-Ebert-Stiftung?

Die ehrenamtliche Tätigkeit ist verbunden mit unterschiedlichen Rollen und ich sehe den Reiz eher in der Vielfalt der Rollen als in der Unterschiedlichkeit der Aufgaben. Der Soziologe Ralf Dahrendorf formuliert dies so: „Soziale Rollen sind Bündel von Erwartungen, die sich in einer gegebenen Gesellschaft an das Verhalten der Träger von Positionen knüpfen.“ 

Welche Rollen bzw. welche „Bündel von Erwartungen“ sind mit der Tätigkeit verknüpft?

Zum einen bin ich die Kontaktperson zur Hochschulgruppe: Als Vertrauensdozent ist es mir wichtig, regelmäßigen Kontakt zur Hochschulgruppe – in meinem Fall: an der Universität Duisburg-Essen - zu halten und mich mit den Mitgliedern auszutauschen. Es ist eine große Freude, mit engagierten Stipendiat*innen zu diskutieren und zum Beispiel gemeinsame Aktivitäten zu planen und durchzuführen. Natürlich stehe ich als Vertrauensdozent auch für Fragen rund um die individuelle Situation im Rahmen des Studiums zur Verfügung. 

Zugleich bin ich einer von vielen Vertrauensdozent*innen. Die Vernetzung mit anderen Vertrauensdozent*innen finde ich besonders anregend. Ich stelle fest, dass es viele gemeinsame Gesprächsanlässe gibt; sei es etwa zur Frage, inwiefern über die Möglichkeiten der Studien- und Promotionsförderung über Stipendien informiert werden kann oder etwa zu Möglichkeiten der Vernetzungen innerhalb der Hochschule und auch über die Hochschulgrenzen hinweg. 

Hinzu kommen Ihre Rollen als Mentor und Gutachter …

Die Rolle als Gutachter zum Beispiel bei der Auswahl zukünftiger Stipendiat*innen ist eine der wichtigsten. Auch diese Rolle ist mit vielen unterschiedlichen und sehr interessanten Begegnungen mit jungen Menschen verbunden, die sehr engagiert sind und mit denen sich zum Teil sehr spannende Gespräche führen lassen. Eine gute Vorbereitung auf solche Gespräche ist daher enorm wichtig – nicht nur für die Kandidat*innen, sondern auch für mich als Vertrauensdozent. Auch die Rolle als Mentor erlebe ich für beide Seiten als sehr gewinnbringend: Von den Stipendiat*innen kann ich viel lernen und gleichzeitig kann ich meine Erfahrung als Vertrauensdozent zum Beispiel bei studienbezogenen oder strategischen Fragen mit einbringen. Und natürlich beteilige ich mich sehr gerne an Veranstaltungen, die zum Beispiel an der Universität Duisburg-Essen zum Thema Stipendien organisiert werden, da ich sie für interessierte Studierende als hilfreich erlebe. 

Wo sehen Sie den Mehrwert dieser facettenreichen Tätigkeit? 

Ein wichtiges Grundanliegen der Studienförderung der Friedrich-Ebert-Stiftung ist der gerechte Zugang zu Bildungschancen. Dazu ein Stück weit beitragen zu dürfen, empfinde ich persönlich als ein großes Privileg, für das ich mich sehr gern engagiere. 
In diesem Zusammenhang würde ich aber nicht von Mehrwert sprechen. Vielmehr ist diese ehrenamtliche Tätigkeit in vielen Situationen meines beruflichen Alltags eine Bereicherung. Ich lerne interessante und interessierte junge Menschen kennen, die sich sozial engagieren und die eine Haltung mitbringen, zu der sie stehen. 

Wie sind Sie zu dieser Tätigkeit gekommen?

Es gibt sicher sehr unterschiedliche Wege – dies zeigt schon allein ein Blick auf die Biografien der Vertrauensdozent*innen. In meinem Fall war es so, dass ich zunächst während des Studiums von der Friedrich-Ebert-Stiftung gefördert wurde. In dieser Zeit habe ich mich unter anderem als Sprecher für die Hochschulgruppe an der TU Dortmund engagiert. Über die Jahre habe ich immer Kontakt zur Friedrich-Ebert-Stiftung gehalten. Die Anfrage der Stiftung, ob ich mich als Vertrauensdozent engagieren würde, hat mich sehr gefreut und ich habe sofort zugesagt. 

Wie kann ich zur Stipendienkultur an meiner Hochschule beitragen, ohne Vertrauensdozent*in zu sein?

Ein Beitrag zur Stipendienkultur kann schon darin bestehen, dass man potenziell geeigneten Studierenden Mut macht, sich auf ein Stipendium zu bewerben. Viele Studierende verbinden das Thema Stipendien mit hoch elitären Programmen, für die ihnen die eigenen Studienleistungen fachlich nicht gut genug erscheinen. Dabei wird oft nicht beachtet, dass es neben fachlich sehr guten Leistungen im Studium auch noch andere Auswahlkriterien gibt. Besonders wichtig ist daneben – für die meisten Stiftungen – zum Beispiel das gesellschaftliche Engagement. 
Ich spreche regelmäßig Studierende an und empfehle ihnen, sich zum Thema Stipendien zu informieren und eine Bewerbung bei einer potenziell passenden Stiftung in Betracht zu ziehen.

Bild Schacht